Ein König, ein Sonderling und eine Uraufführung mit Tiefgang Gelungenes Musiktheater-Experiment im Insel-Raum des Ada // 11. April 2022 Von Bernadette Brutscheid Ein Musiktheaterstück mit märchenhaften Zügen im Insel-Raum des Ada – das passte doch. Wie gut, dass Yosemeh Adjei sich für seine Produktion dieses schöne Ambiente gewählt hatte. Mit kleinem Equipment und wenigen Accessoires gelang mit „Der Sonderling“ eine sehens- und vor allem hörenswerte Aufführung mit inhaltlichem Tiefgang. Yosemeh Adjei und Sibyll Duffe setzten die Geschichte in Wort und Gesang in Szene. Foto: Stefan Fries In kleiner Besetzung boten die drei Akteure ein tolles Spiel. Der Countertenor Adjei kann nicht nur singen, die Trompete beherrscht er ebenso gut. Mit ein paar Fanfarenstößen wähnte man sich schon zu Beginn direkt im Schloss eines imaginären Königs. Mit Sopranistin Sibylla Duffe schlüpfte er in unterschiedliche Rollen. Vom König wird er zum Sonderling, Duffe von einer zur Jagd eingeladenen Edeldame zu dessen Schwester. Beide nahmen zwischendurch, ganz gemäß einer Märchenerzählung, im Sessel Platz und lasen als Erzähler aus dem großen Buch.Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein König verunglückt beim Reiten und kann, auch nach seiner Genesung, nicht mehr richtig gehen. Da er im Volk so beliebt ist, fühlt sich dieses aus Solidarität zum Hinken verpflichtet. Noch Jahre nach dem Tod des Königs bleibt ein Gesetz dazu bestehen mit abstrusen Folgen. Es gibt Kurse zum richtigen Hinken lernen, Familien zerbrechen daran, Duffe und Adjei fühlen sich mühelos in jede neue Szene und neuen Aspekt ein, vermitteln diese problemlos an das gebannt lauschende Publikum.Eine wichtige Rolle kam der Musik im Geschehen zu. Toll Hiroku Utsumi am Klavier. Sie unterlegte die Geschichte durchgehend mit sehr emotionalem Spiel und war mit Adjei an der Trompete eine gelungene Kombination. Alte Musik von Claudio Monteverdi, Georg Friedrich Händel, Alessandro Scarlatti oder Wolfgang Amadeus Mozart wurde mit eigenen Interpretationen verbunden, teilweise neu vertont oder mit neuen Texten versehen. Frage nach dem Sinn von Verordnungen und Gesetzen Dazu die beeindruckende stimmliche Umsetzung von Duffe und Adjei, die die jeweilige Stimmung der einzelnen Szenen so gekonnt wiedergibt. Die um diesen besorgte Schwester des Sonderlings, welche um die Gefahren seiner Verweigerung weiß, der verzweifelte Sonderling wehklagend im Gefängnis. Teilweise belustigende Szenen, Duffe mit Steckenpferd, stolz auf die Einladung zur königlichen Jagdgesellschaft, oder Adjei tänzelnd als Sonderling, der sein Leben genießt. Und doch steckt ein ernstes Thema in der Geschichte. Es stellt die Frage nach dem Sinn von Verordnungen und Gesetzen, die so offenkundig widersinnig sind und dennoch akzeptiert werden. Nur der Sonderling stellt sich dagegen. Er steht für seine Überzeugung ein, wehrt sich gegen ein unsinniges Gesetz, welches die Lebensfreude raubt, denn das Gehen haben die Untertanen des Königs inzwischen verlernt. Seine Anschauung lässt er sich auch in der Haft und bei drohender Todesstrafe nicht nehmen, ein Fluchtangebot lehnt er ab, wie aktuell das Stück doch ist. Hier geht es gut aus. Nach seiner Verurteilung bittet er seine Schwester zu sich und die Erkenntnis, wie sinnlos das Gesetz ist, bricht sich Bahn.Viel Applaus für ein gelungenes Experiment. Gerne mehr. Quelle // Westdeutsche Zeitung / 11. April 2022 2005